https://www.vogue.com/article/frank-ocean-louis-vuitton-fall-2019

Was hat es mit dem neu entfachten Enthusiasmus für technische Mode der letzten Jahre auf sich und wie prägt es unsere Mode noch heute?

Trends in der Modewelt sind nichts neues und für sich alleine stehend auch erst mal nichts Verwerfliches. Mode ist nach wie vor ein Business und Interesse für neue Styles, Farben und Schnitte muss generiert werden um diese auch zu verkaufen (über die Häufigkeit und Größenordnung kann und sollte man aber streiten...).

Was sich geändert hat in den letzten Jahren ist die Intensität und Schlagzahl. Und vor allem auch die Distributionswege, auf denen neue Trends an uns herangetragen werden. Vor 15 Jahren im Jahr 2010 war es deutlich wahrscheinlicher über die neue Kollektion eines Fashion-Giganten entweder im Store oder auf der Website des jeweiligen Anbieters zu erfahren. Doch durch zunehmend visuelle Medienplattformen wie Instagram und zuletzt TikTok und das hyperpersonalisierte, Algorithmus-betriebene Influencer-Modell verlagerte sich diese Entdeckung zunehmend in unsere Handflächen. Das Smartphone ist heute der dominante Weg neue Mode kennenzulernen und als solches auch gar nicht mehr wegzudenken. Der Zugang zu Mode und vor allem auch zum Konsum von Mode, Neuigkeiten zum Thema Mode, neue Kollektionen, News Stories, Kampagnen, Sales etc. ist allgegenwärtig, konstant und augenblicklich. 

Die Lebensdauer und Turnover-Rate eines Trends ist rapide gesunken seit TikTok seinen Platz als dominante Plattform für kurzweiligen Video-Content zementiert hat, also ca seit 2019 und exponentiell seit dem Beginn der Lockdown-Zeit im Jahre 2020. Ungefähr zu dieser Zeit entwickelte sich auch das Modell der "Fashion-Cores" - Moodboard-inspirierte Styles, die relativ eng gefassten Leitplanken folgen und eine sehr präzise und prägnante Ästhetik bedienen. Von 2020 bis mindestens Mitte/Ende 2024 waren "Cores" DIE tonangebende Stimme in was trendy ist und was schon wieder out ist....und die Wechselrate ist halsbrecherisch. In der genannten Zeit wechselten sich dutzende Ästhetiken an der Spitze der meistgesuchten Modetrends auf TikTok und co ab, teilweise so obskur und nischig, dass sie den übergreifenden Mainstream gar nicht erreichten und als reine Online-Phänomene auftraten. 

Zu Beginn der Pandemie erhob sich jedoch eine besondere Ästhetik auf den sozialen Medien, die tatsächlich eine größere Staying Power aufwies und weit bis in den Mainstream hereinstrahlte. Bekannt wurde sie unter ihrem jetzt allgegenwärtigen, aber erstmal nichtssagenden Synonym: GORP-Core.

Was das bedeutet? Nun...hier trennte sich damals schon die Spreu vom Weizen. If you know you know, you know? "GORP" ist eine Abkürzung für "good old raisins and peanuts", ein beliebter Snack-Mix, der in der Outdoor-, Wander- und Trailrunning-Community ein fester Bestandteil dieser Aktivitäten war: du gehst auf einen Hike oder Laufen im Wald....don't forget your GORP für eine schnelle Fett- und Kalorienzufuhr. Uralt, nichts neues und so situationsbedingt, es scheint so willkürlich, dass diese Abkürzung einen weltweiten Fashiontrend benennen würde. Aber...

Der gemeinsame Nenner dieser Aktivitäten und Communities war die Location: Draußen! In der Natur, im Wald, auf Tracks und Trampelpfaden. Und eine gewisse Notwendigkeit für praktische Kleidung und Design. Wetterfestigkeit, eine ausreichende Anzahl an Taschen und Staumöglichkeiten und ein generelles Design, das zur Tätigkeit passt waren unerlässlich für Aktivitäten im Freien. 

Zum Beginn der Pandemie hatten sehr viele Leute auf einmal etwas, was sie davor nicht hatten. Zeit. Gezwungen dazu innezuhalten und den Alltag anders zu gestalten. Dazu kam die Entsozialisierung durch strenge Abstandsregeln und durch den Lockdown. Den Menschen fiel kollektiv die Decke auf den Kopf, die Sehnsucht die eigenen vier Wände zu verlassen wuchs und wo konnte man ungestört und ungefährdet existieren? Na draußen, im Wald, an der Küste, auf dem Fahrrad oder in den Bergen. Viele Menschen tauschten in dieser Zeit ihre Büro-Garderobe gegen einen Home-Office erprobten, weicheren und lässigeren Style und eben auch gegen Regenjacke und festes Schuhwerk. GORP-Core entstand aus der Notwendigkeit und dem Wunsch in einem (für viele Ottonormalbürger:innen) neuen oder zumindest nicht alltäglichen Setting zu existieren. Andere Ansprüche und Bedürfnisse wurden laut und so änderte sich das Kaufverhalten. 

Kurz zuvor, auf der Pariser Fashion Week 2019, hatte man Trendsetter wie den R'n'B Sänger Frank Ocean schon in Arc'terxy Skull Beanie und knalloranger Mammut Midlayer-Jacke gesehen - ein perfekter Sturm aus Angebot und Nachfrage braute sich zusammen. Regenjacke, Wander- und Performance-Schuhe, Cargohosen, Sherpa-Fleeces, Mützen und praktische Accessoires wie Sling-Bags, Handschuhe und Karabiner traten sehr schnell in den Fokus Modeinteressierter im Internet. 

Frank Ocean auf der PFW 2019 In Arc'teryx und Mammut
(Bildquelle: https://www.esquire.com/uk/style/fashion/a60202071/gorpcore-2024-five-years-since-frank-ocean-pfw-outfit/ )

Und dann ging es plötzlich sehr schnell. Rap-Songs über Arc'terxy Jacken gingen viral auf YouTube und TikTok und reihenweise Menschen standen auf einmal mit ihrer 600€ GoreTex Pro Shell Jacke unter der Dusche um deren wasserabweisenden Lotuseffekt für Social Media zu flexen. Lang etablierte Outdoor-Brands wie Patagonia, Arc'teryx, The North Face, Salomon, Diemme und co sahen nie dagewesenes Interesse und den Zustrom einer Käufergruppe, die bis dato komplett gefehlt hatte: modebewusster Teens und Tweens mit dem Willen viel Geld für Kleidungsstücke auszugeben, dessen eigentlicher Use-Case sie gar nicht oder nur nebensächlich interessierte. 

Jetzt ist Outdoor-inspirierte Mode überhaupt nichts neues und auch in den Jahren vor der Pandemie hatten Marken wie The North Face einigen Erfolg durch Kollaborationen mit z.B. Supreme oder Palace. Brands wie Stone Island, C.P. Company oder Adidas Y3 hatten ihren Erfolg auch schon deutlich vor den Pandemie-Jahren - generell waren praktische Kleidungsstücke, Cargo-Hosen und Performance-Schuhe alles andere als fremd während des Techwear- und Streetwear-Booms der 2000er und 2010er Jahre. Doch wo es bei TNF-Supreme Collabs noch um die Logo-Mania und das Flexen mit auffälligen Designs ging und das Schuhwerk dominiert wurde durch Jordans und Adidas Ultraboost, zeigte sich bei GORP-Core ein etwas anderer Fokus. Die Logos waren immer noch wichtig und wurden gerne gezeigt, aber sie hatten sich in ihrer Größe stark reduziert. Silhouetten und Schnitte traten mehr in den Vordergrund, die Farbpaletten wurden erdiger, gedeckter, alltagstauglicher, die Schuhe verloren ihre Vintage- oder Ballsport-inspirierte Form und es waren sportliche, griffigere Sohlen, innovative Schnürungssysteme und echte Performance-Features wie Wasserdichtigkeit gefragt. 


(Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=osUjoawT2nE )

Man könnte an dieser Stelle noch ewig weit ins Detail gehen dazu welche Kleidungsstücke und Marken die meiste Aufmerksamkeit bekommen haben oder wieso wirklich alles einen Karabinerhaken haben musste. Aber vielleicht ist es wichtiger, so glauben wir, lieber zu schauen, was der GORP-Core Trend mit der Modewelt als Ganzes gemacht hat. Denn der Impact war überall zu spüren. So stieg das Verlangen nach mehr "funktionaler" Kleidung, die auch außerhalb von Trendfarbe und Saison-Zyklus noch einen Nutzen haben würde, drastisch an und erreichte die Fast Fashion-Labels wie Uniqlo und H&M genauso, wie die großen Luxushäuser. Uniqlo's Block Tech Parka, Arc'teryx Beta Shells, The North Face Nuptse Puffer und Salomon's XT-Reihe an Schuhe flog nur so von den Regalen. Doch auch bei altehrenwerten Modegiganten wie Prada und Hermes traten immer mehr Designs in den Vordergrund, die nicht nur visuell und designtechnisch überzeugen wollten, sondern auch eine ganz klare Funktion verfolgten und anstrebten. Auch der Luxus-Kunde hatte signalisiert, dass er es begrüßen würde, wenn die Kleidung, die er oder sie für tausende Euros kaufte nicht nur die Brand repräsentierten, sondern ihm oder ihr auch noch nützlich sein würden, wenn die nächste Saison anbrach. 

Im Zuge bzw. im Fahrwasser dieses outdoor-inspiriertem Trends wuchsen ganze Brands zu Erfolg und Ruhm, die davor eher ein Nischendasein gefristet hatten. Marken wie Auralee, Lemaire (dessen Creative Director auch für Uniqlo designte, also ein Schulterschluss aus Fast und Luxus Fashion), Haglöfs, AndWander, Nanamica, Gramicci oder ROA erreichten nie zuvor gesehene Verkaufszahlen und wachsen weiterhin. 

Auch wenn die GORP-Core Uniform aus Arc'teryx Jacke, grüner Cargo, Salomon XT-6, Sling-Rucksack und 20 Karabinerhaken nicht mehr trendy und die Meta für angesagte Jugendliche ist, so hat der Trend doch Spuren hinterlassen, die wir begrüßen. Wie eingangs erwähnt sind Trends nur dann etwas schlechtes, wenn sie zu Überkonsum anregen und ein "Kauf es sonst gehörst du nicht dazu"-Gefühl vermitteln wollen. Mode ist immer noch eine Art von Selbstausdruck und an den Rändern von High Fashion oder nicht für den Konsum bestimmter Kleidung auch eine Kunstform. Experimentieren mit neuen Farben, Silhouetten, Schnitten und Styles macht Spaß und erweitert den eigenen Horizont, öffnet einem vielleicht die Augen für den ganz eigenen Lieblings-Style oder führt einen an Ästhetiken oder Handwerkskünste heran, die man zuvor noch nicht kannte. Trends können dabei ungemein helfen.

Wir sind der Überzeugung, dass gerade in den Breitengraden, in denen wir uns befinden und bewegen ein hybrider Style, der Funktion und Design mit einander verbindet irgendwo unabdingbar ist. Sowohl im Norden Deutschlands, wo wir uns befinden, als auch in Skandinavien, wo viele unserer Main Brands herkommen, sind die Gezeiten und das Wetter ein täglicher Faktor im Leben der Menschen. Völlig losgelöst davon, wie du dich darstellen und anziehen möchtest, das Wetter, die Temperaturen oder den Regen wird man beim allmorgendlichen Griff in den Kleiderschrank berücksichtigen müssen. Sie mögen noch so bequem und stylisch oder angesagt sein, bei -2 Grad und Schneeregen eignen sich Leinenshorts und Birkenstocks nicht wirklich gut für den Arbeitsweg mit dem Rad...

Unsere Aufgabe und auch Leidenschaft ist es daher seit jeher das "Wollen" mit dem "Müssen" zu verbinden. Auch wir ziehen uns sehr gerne schön und stylisch an (sonst würden wir das ganze hier nicht seit so vielen Jahren machen), aber manchmal kommt man nicht umhin ein Kleidungsstück zu wählen, das eine gewisse Funktion erfüllt. Wir setzen deswegen gerne auf Brands, die ihre Vision von Style mit einer gewissen Praktikabilität verbinden. Nicht jeder Kauf muss aus praktischen Gründen rechtfertigbar sein! Manchmal möchte man auch einfach mal was haben, weil's schön aussieht und das ist völlig okay. Aber es ist schön zu wissen, das der gleiche Laden, in dem man den Lieblings-Pulli gekauft hat auch eine Regenjacke führt, die  nicht nur praktisch ist, sonder meinem Style entspricht und mir auch losgelöst von der Funktion gefällt. 

Bei uns glauben wir, dass sie Verbindung von regenfesten Jacken mit fließenden Anzughosen und -hemden mit Loafern und Streetwear Accessoires eine ganz natürliches und organisches Zusammenkommen ist. Auch ne Regenjacke unter einem Blazer kann gut funktionieren und aussehen. Nicht jeder kann sich 3 Mal am Tag dem Ereignis oder Anlass entsprechend umziehen - dein Outfit sollte dich durch einen ganzen Tag bringen können (nicht müssen) ohne dass du dich irgendwo out of place oder falsch angezogen fühlst, im Gegenteil. Und gerade GORP-Core als Trend hat in diesem Bereich für so viel mehr Möglichkeiten, Alternativen und Varianten gesorgt und auch eine gewisse Akzeptanz für funktionsbewusste Mode geschaffen und das finden wir sehr schön. 

Trends können sehr nützlich sein um gewisse, oft positive Elemente in den Mainstream einzuführen und so das Feld der Möglichkeiten eines jeden Kunden:in und Käufer:in zu erweitern. Im besten Fall sollte man Trends als Möglichkeiten empfinden und wahrnehmen, nicht als Zwänge oder Notwendigkeiten. Und wenn ein Trend einem nicht zusagt, ist es völlig richtig und okay ihn auszusitzen.

Bei uns findest Du viele Pieces, die sich mühelos in jedes GORP-Core Moodboard einfügen würden, aber auch in einem ganz anderen stilistischen Kontext glänzen können. Marken wie Didriksons und Elvine bieten sowohl hervorragenden Schutz gegen die Elemente, aber eben auch die City-Tauglichkeit und diesen typisch skandinavischen Minimalismus, der sich hervorragend mit vielerlei Garderoben kombinieren lässt. Samsøe Samsøe aus Dänemark kollaborieren jährlich mit GoreTex- und Primaloft-Fabrikaten und bieten so tolle Hybride aus Performance-Materialien und kontemporären Schnitten und Silhouetten an. Gramicci sind bekannt für ihre vom Klettersport inspirierten Hosen und Designs und sind eine feste Größe sowohl in Outdoor Outits, als auch lässigen Streetwear Looks. Merrell stellen nicht nur den weltweit meistverkauften Trailrunning -Schuh her, sondern bieten mit ihrer 1TRL Linie auch dem modebewussten Käufer eine Alternative ohne auf Funktionen wie Wasserdichtigkeit, Vibram-Sohlen oder besondere Dämpfung zu verzichten. Als neusten Zuwachs in unserem Sortiment können wir Haglöfs begrüßen, die schwedische Jacken- und Gear-Brand blickt auf eine lange Geschichte und Expertise mit Performance-Kleidungsstücken zurück und ist bei allen, vom Rad-Pendler bis zum Extrem-Alpinisten, für ihr gestreamlinetes und reduziertes Design und kompromisslose Qualität bekannt und gefeiert. 

Für eine ausführliche Beratung von der Jacke bis zum Rucksack, komm' immer gerne in unserem Store in Hamburg vorbei oder melde dich online bei uns!

Niklas Hormanns